Nachrichtendienstchef Hans Wegmüller über den Spionagefall Daniel M.

Im Fall von Daniel M. scheint es zu einer Gemengelage von nachrichtendienstlicher Aufklärung, Strafverfolgung sowie persönlichen Intrigen und Abrechnungen gekommen zu sein. Solche Entwicklungen sind für eine nachrichtendienstliche Operation grundsätzlich sehr heikel. Wenn dann noch so schillernde Persönlichkeiten wie der frühere deutsche Agent Werner Mauss involviert sind, wird es endgültig unübersichtlich. Zudem hat es offenbar auch Missverständnisse in der Kommunikation zwischen der Bundesanwaltschaft und dem NDB gegeben.

Ist das neue Nachrichtendienstgesetz aus Ihrer Sicht tauglich?

Ja, mit diesem Gesetz kann man arbeiten. Sie müssen sich vorstellen, als ich 1978 in den Auslandnachrichtendienst eintrat, existierten noch kaum gesetzliche Grundlagen. Wir haben nachrichtendienstlich einfach das getan, was wir für richtig hielten. Erst nach und nach folgten erste Weisungen und gesetzliche Vorgaben. Mit dem heutigen Gesetz lässt sich die Arbeit des Nachrichtendienstes von aussen auch viel besser beurteilen, als es je der Fall war. Allerdings bewegt man sich in Bezug auf die Anzahl Kontrollorgane definitiv an der obersten Grenze.

Wie findet der Nachrichtendienst Leute, die sich in eine terroristische oder mafiöse Organisation einschleusen lassen?

Schon die Suche nach Personen, die als Quellen infrage kommen, ist sehr aufwendig. Bevor man auf eine Zielperson zugehen kann, sind zudem umfangreiche Abklärungen notwendig: Wer ist die Person, wie sieht ihr Umfeld aus, was sind ihre Schwächen, wie lange dauert es, bis die Person in die gewünschte Position gebracht werden kann, welches sind ihre wirklichen Zugänge usw. Erst dann kommt der Quellenführer zum Zug, dessen Aufgabe wiederum viel Erfahrung, grosses Fingerspitzengefühl und oft viel Zeit erfordert. Insbesondere in islamistischen Kreisen ist es äusserst schwierig, Quellen einzuschleusen, weil solche Organisationen ideologisch besonders kompakt und homogen sind.

Wie beurteilen Sie die Gefahr einer politischen Beeinflussung durch ausländische Kräfte?

Man muss dieses Phänomen sehr ernst nehmen, doch wirklich neu ist diese Form der Bedrohung nicht: Schon die Sowjetunion beherrschte die Kunst der Desinformation meisterhaft. Russland hat dies systematisch weiterentwickelt und nutzt die Möglichkeiten von Cyber-Operationen heute mit grossem Erfolg. Es ist sehr anspruchsvoll, dagegen vorzugehen.

Source : NZZ

 

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