Herr Regli, sind Sie froh, dass Sie in den 1990er Jahren Nachrichtendienstchef waren, als die Welt noch übersichtlicher schien?
Die sicherheitspolitische Lage war im Kalten Krieg und in den Jahren danach einigermassen voraussehbar. Die diffuse Gefahrenlage von heute macht die Aufgabe des Nachrichtendienstes (NDB) schwieriger. Der Druck, ja keine Fehleinschätzung vorzunehmen, ist höher als zu meiner Zeit. Aber die Aufgabe würde mich auch heute durchaus noch reizen.
2018 wurden Aktivitäten des russischen Militärgeheimdienstes GRU in der Schweiz bekannt. Ein Cyberangriff auf das Labor Spiez konnte vereitelt werden. Wie beurteilen Sie den Fall?
Spioniert wurde schon immer, das gehört zum Wesen der Politik. Die Medien hatten das bloss vergessen. Putins arrogante und aggressive Machtpolitik bereitet mir allerdings Sorgen. Dass die Niederlande und die Schweiz seine nachlässigen GRU-Agenten auffliegen liessen, ist ein klares Zeichen gegen aussen: so nicht! Wir müssen zudem wachsam sein gegenüber den Gefahren im Cyber. Ich denke dabei nicht nur an Spionage und die Bedrohung der kritischen Infrastruktur, sondern auch an den Einsatz von Trollen und Spin-Doctors in sozialen Netzwerken. Mit ihnen sollen ganze Gesellschaften destabilisiert und Wahlen beeinflusst werden, wie wir das zuletzt in den USA oder in Deutschland gesehen haben.
Source : NZZ