Intelligence Economique: von der militärischen zur privaten Nachrichtenbeschaffung

Dimitri Percia David und Alain Mermoud – beide wissenschaftliche Assistenten an der Dozentur Militärökonomie und Doktoranden an der HEC Lausanne im Bereich Informationssysteme – haben kürzlich an einem HSO-Seminars einen Vortrag gehalten über Intelligence Economique (Marktbeobachtung, Wettbewerbsanalyse und Strategieplanung) mit dem Titel: von der militärischen zur privaten Nachrichtenbeschaffung. Im vorliegenden Artikel werden die Hauptpunkte der Ausführungen nochmals dargelegt.

Im Gegensatz zur Industriespionage hat die Intelligence Economique (IE), auf Englisch Competitive Intelligence (CI), zum Ziel, auf ganz legalem Weg Informationen zugunsten von Wirtschaftsakteuren zu beschaffen, auszuwerten und zu verteilen. Dieser Ansatz lässt sich in einer Formel wie folgt zusammenfassen:

Kompetenz + Information = Entscheidung + Handlungen

IE lässt sich auch wie folgt definieren: Die richtige Information am richtigen Ort, am richtigen Zeitpunkt und in der nötigen Sicherheit. Die IE stützt sich auf drei Hauptpfeiler: Beobachtung, Schutz, Einflussnahme.

  1. Die Beobachtung kann aktiv oder passiv (defensiv) sein und sich auf strategische, juristische, gesellschaftliche oder wettbewerbliche Aspekte eines Unternehmens beziehen. Es geht darum, angemessene Schritte, die als Entscheidungs- und Handlungsgrundlagen dienen können, für künftiges Handeln zu strukturieren. Die Beobachtung erfolgt nach dem nachrichtendienstlichen Zyklus, wie er im Militär bekannt ist: a) Bedürfnisanalyse, (b) Beschaffung, (c) Auswertung, (d) Verteilung.
  2. Der Schutz der Informationsgrundlagen betrifft die Produktestrategien, das Know-how, die Kompetenzen, das intellektuelle Eigentum, die Patente, das Ansehen, die Produktionsprozesse etc. Militärisch würde man heute von Force Protection (FP) oder Eigenschutz sprechen.
  3. Die Einflussnahme besteht in der Weiterverbreitung von Informationen oder von Verhaltens- und Auslegungsnormen, welche die strategische Position eines Unternehmens langfristig stärken. Auch Öffentlichkeitsarbeit und Lobbying erwirken eine Kommunikation der Einflussnahme, um den Ruf eines Unternehmens zu schützen und zu verbessern. Im Militär spricht man von PSYOP, in der Diplomatie von soft/smart Power.

Die IE gehört zum militärischen Nachrichtendienst genauso wie zum Beispiel der wissenschaftliche Nachrichtendienst. Die IE kann auch auf militär-strategischer Ebene umgesetzt werden. So schuf zum Beispiel die französische Regierung im Januar 2016 ein Kommissariat und eine Dienststelle für strategische Informationen und wirtschaftliche Sicherheit. Diese öffentliche Politik bezüglich IE zielt insbesondere darauf ab, den Schutz und die Förderung von wirtschaftlichen, industriellen und wissenschaftlichen Interessen der Nation zu verstärken und die Mittel für die wirtschaftliche Souveränität Frankreichs sicherzustellen. Frankreich hat übrigens auch eine Schule für Wirtschaftskrieg (Ecole de Guerre Economique), an der Alain Mermoud studiert hat.

hso

Wissen ist Macht! Das hat Thomas Hobbes in seinem Leviathan schon im XVII. Jahrhundert geschrieben. Neueren Datums jedoch ist das Entstehen einer Informationsgesellschaft, einer Wissensgesellschaft, in der die Informationstechnologien eine tragende Rolle spielen. Die USA haben schon lange begriffen, dass Information für die Wissensgesellschaft das ist, was Erdöl für die Industriegesellschaft war, nämlich Treibstoff für den Verbrennungsmotor und folglich auch für Wachstum. Man spricht heute von einem militär-digitalen Komplex. Edward Snowden hat aufgedeckt, dass die USA schon in den 1980er Jahren eine Strategie entwickelt hatten mit dem Ziel, wirtschaftliche, nachrichtendienstliche und militärische Interessen zu verknüpfen. Im Übrigen ist bekannt, dass das Internet aus dem militärischen Bereich kommt (ARPANET).

Im Vergleich zu den beiden Ländern weisen die Schweiz und ihre Unternehmen einen beträchtlichen Rückstand in Sachen IE auf. Eine wirkliche Strategie der IE könnte der Schweiz strategische Fähigkeit bringen, mit denen sie besser gewappnet wäre, unerwartete politische Ausgänge wie bezüglich Bankengeheimnis oder nachrichtenlosen Vermögen vorauszusehen. Eine Politik der digitalen Souveränität gäbe der Schweiz übrigens auch mehr Einfluss auf unsere Informatiknetze, welche das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden. Schliesslich darf man nicht vergessen, dass die Souveränität eine unerlässliche Bedingung unserer politischen und gesellschaftlichen Freiheit ist.  Wenn man zudem „Krieg führt, wie man Reichtum erzeugt“ (Bernard Wicht), werden die künftigen Konflikte mehrheitlich Konflikte sein, die sich um Information, Informationssysteme und Informationsnetze kristallisieren.

Abschliessen haben die zwei Wirtschaftswissenschaftler und Milizoffiziere über ihre persönlichen Erfahrungen in der Industrie gesprochen sowie über ihre erfolgreichen Bemühungen, das Bild der militärischen Kaderausbildung bei Arbeitgebern und bei wirtschaftlichen Entscheidungsträgern aufzuwerten. Tatsächlich ist die IE – wie das Milizsystem – ein Werkzeug, das als Mittel des Wissenstransfers zwischen dem militärischen und dem zivilen Bereich dienen kann.

Für weitere Informationen: swiss-intelligence.info bietet eine tägliche Presseschau über Intelligence Economique in der Schweiz an.

Dimitri Percia David, Alain Mermoud

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